Die Bedeutung der Wahl der richtigen Norm

Erfahren Sie, warum es wichtig ist zu verstehen, was eine Norm ist – und wie man bei psychometrischen Tests die passende Norm auswählt.

Um die hohe Qualität unserer Lösungen zu gewährleisten, aktualisieren wir regelmäßig die Normen auf Basis aktueller Daten, die die jeweilige Zielgruppe möglichst genau widerspiegeln. Doch was genau ist eine Norm? Warum ist sie so wichtig für die Interpretation von Testergebnissen? Und warum können sich Ergebnisse ändern, wenn Normen angepasst werden? Dieser Artikel geht diesen Fragen im Detail nach.


Was ist eine Norm?

Eine Norm im Rahmen psychometrischer Tests dient als Vergleichsgrundlage: Sie ermöglicht es, die individuellen Testergebnisse einer Person mit denen einer größeren Bezugsgruppe zu vergleichen. Anders als bei absoluten Werten geht es bei psychologischen Tests meist um relative Ergebnisse – also um deren Bedeutung im Verhältnis zu anderen.

Stellen Sie sich einen Test zur Messung von Extraversion vor. Wenn eine Person dabei 15 Punkte erreicht – was bedeutet das? Ist sie extravertiert? Allein anhand des Rohwerts lässt sich das nicht sagen.

Um den Wert zu interpretieren, braucht es eine Normgruppe – also eine Gruppe von Personen, die denselben Test bereits absolviert hat. Erst im Vergleich mit dieser Gruppe lässt sich eine Aussage treffen.

Beispiel: Wenn eine Normgruppe von mindestens 300 Personen im Durchschnitt 11 Punkte erzielt, bedeutet ein Ergebnis von 15 Punkten, dass die getestete Person tendenziell extravertierter ist als der Durchschnitt dieser Gruppe. In den Instrumenten von Master werden Rohwerte in standardisierte Skalen – wie die STEN-Skala („Standard Ten“) – umgerechnet. Grundlage dafür sind der Mittelwert und die Standardabweichung der Normgruppe. Diese Umrechnung erleichtert die Vergleichbarkeit zwischen Testpersonen – immer bezogen auf dieselbe Norm.

Damit eine Normgruppe repräsentativ ist, muss sie ausreichend groß sein und die relevanten Merkmale der Zielgruppe widerspiegeln – etwa Geschlecht, Alter oder Bildungsstand. Laut der European Federation of Psychologists’ Associations (EFPA) gilt eine Normgruppe mit über 1.000 Personen, die die Zielgruppe angemessen repräsentiert und nicht älter als zehn Jahre ist, als exzellent – insbesondere bei wichtigen Entscheidungen wie im Recruiting (Evers et al., 2013). Um eine realitätsnahe Abbildung sicherzustellen, werden Normgruppen demografisch gewichtet. Beispiel: Wenn in Dänemark 52 % der Erwerbstätigen Frauen sind, aber nur 49 % der Testteilnehmerinnen Frauen, wird deren Anteil rechnerisch erhöht, um das tatsächliche Verhältnis korrekt abzubilden.

efpa Logo

Warum sind Normen wichtig?

Normen sind entscheidend, um Testergebnisse fair zu interpretieren – im Vergleich zu einer repräsentativen Gruppe. So lassen sich Verzerrungen und unbewusste Diskriminierung vermeiden. Wird etwa ein Mann ausschließlich mit Frauen verglichen oder eine Person aus einem bildungsfernen Milieu nur mit Akademikerinnen und Akademikern, entstehen verzerrte Ergebnisse.

Auch wenn nicht für jedes Land eigene lokale Normen vorhanden sind, ist es für hochwertige Lösungen unerlässlich, sowohl vielfältige lokale Normen als auch eine belastbare internationale Norm zur Verfügung zu stellen. Fachgesellschaften wie die British Psychological Society (BPS) oder Det Norske Veritas (DNV) betonen bei der Bewertung und Akkreditierung psychometrischer Verfahren – wie jenen von Master – die hohe Bedeutung qualitativ hochwertiger Normen.

Warum können sich Testergebnisse verändern?

Verschiedene Faktoren können dazu führen, dass sich die Interpretation eines Testergebnisses verändert:

  • Auswahl der Normgruppe: Die Bewertung eines Rohwerts ist immer abhängig von der gewählten Vergleichsgruppe. Ein Rohwert von 15 kann in einer finnischen Normgruppe als überdurchschnittlich gelten (z. B. STEN-Wert 6, also extravertiert), in einer spanischen Normgruppe aber unterdurchschnittlich sein (z. B. STEN-Wert 5, also weniger extravertiert). Der Maßstab verschiebt sich mit der Bezugsgruppe.

  • Aktualisierung von Normen: Wenn Normen mit aktuellen Daten erneuert werden, kann es zu leichten Veränderungen kommen. Bevölkerungsstrukturen ändern sich, gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen Einstellungen und Verhaltensmuster. Deshalb ist es wesentlich, Normen regelmäßig zu aktualisieren – sie sollten laut EFPA nie älter als zehn Jahre sein.

  • Verbesserung der Algorithmen: Die Berechnungen zur Umwandlung von Rohwerten in standardisierte Skalen basieren auf komplexen Modellen, die regelmäßig überarbeitet und an den aktuellen Stand der Forschung angepasst werden.

Kurz gesagt: Die Pflege und Weiterentwicklung von Normen ist ein kontinuierlicher Prozess. Das Psychologenteam bei Master International arbeitet laufend daran, ist stolz auf die vorhandene Vielfalt an Normen – und engagiert sich für laufende Weiterentwicklungen.


Wie wählt man die passende Norm?

Die Wahl der richtigen Norm hat erheblichen Einfluss auf die Testergebnisse – insbesondere bei der Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten. Testanwenderinnen und -anwender müssen daher bewusst überlegen, mit wem die getestete Person verglichen werden soll.

Beispiel: Sucht ein Unternehmen in Spanien eine neue Teamkraft, ist eine spanische Normgruppe sinnvoll. So werden Persönlichkeitsmerkmale – wie etwa Extraversion – im kulturellen Kontext Spaniens interpretiert. Die Norm sollte sich also nicht an der Herkunft der getesteten Person orientieren, sondern an der Kultur und Umgebung des künftigen Arbeitsplatzes.

Mit einer sorgfältig gewählten und regelmäßig aktualisierten Norm sichern wir faire, objektive und valide psychologische Aussagen – ein entscheidender Beitrag für Qualität und Verlässlichkeit bei der Personalauswahl und anderen wichtigen Entscheidungen.

 

Quellenangabe:
Evers, A., Muñiz, J., Hagemeister, C., Høstmælingen, A., Lindley, P. und Sjöberg, A. (2013): EFPA Review Model zur Beschreibung und Bewertung psychologischer und pädagogischer Testverfahren. Version 4.2.6

Category: Whitepaper +, Artikel +, Produktwissen +
Tags: Normen

Übersetzt von: Mag. Bernhard Dworak
Datum: 05.04.2024